(Artikel von hessen-journal.de vom 08.06.2021)

Jahr für Jahr setzen die Angler zehntausende Jungaale in der Lahn aus und investieren dafür einen fünfstelligen Betrag. Gleichzeitig weisen sie immer wieder darauf hin, dass die meisten Aale in den Turbinen der Wasserkraftwerke sterben. Dennoch machen sie weiter, denn das Land Hessen subventioniert diese Aktion. Und so steht die Frage im Raum, ob hier Steuergelder verschwendet oder aktiver Umweltschutz betrieben wird.

Der Aal ist vom Aussterben bedroht. Daher setzt sich die EU dafür ein, den Aal zu erhalten und seinen Lebensraum zu sichern. Ende Mai haben die Angler der IG Lahn 225 Kilogramm Glasaale in Ober- und Unterlahn ausgesetzt. Dafür investierte die IG Lahn 14.450 Euro. Rund 30.000 rund zehn Zentimeter große Jungaale verbergen sich hinter diesem Gewicht. Diese Aktion ist Teil des EU-Programms zur Erhaltung des Aals und wird zu 50 Prozent vom Land Hessen gefördert. Es ist nur eine Seite der Medaille, dass der Aal in die Süßgewässer ausgesetzt wird. Die andere Seite der Medaille befasst sich mit dem Lebensraum des Aals und da geht es nicht voran.

Wanderung der Aale unterbrochen

Die Glasaale sind vom Deutschen Fischereiverband in Hamburg, der diese aus Frankreich und Irland erhält. Dort werden sie vom Golfstrom als sogenannte Weideblattlarven angetrieben. Im Brachwasser verwandeln sie sich in einer Metamorphose zu kleinen, durchsichtigen Glasaalen. Beim Aufstieg in den Flüssen werden sie gefangen und an den Deutschen Fischereiverband verkauft. In einer Aufzuchtanlage füttert dieser die Glasaale an. Danach kaufen die Vereine entlang der Fließgewässer die Glasaale zum Aussetzen. Die IG-Lahn beteiligt sich jährlich an dieser Aktion.

Von der Nordsee gelangen die Aale nicht mehr in ihre Aufzuchtgewässer. Die Wehre in den Fließgewässern wie auch in der Lahn verhindern das Wandern der Aale. Aus diesem Grund werden diese jährlich in die Gewässer eingesetzt. Rund 20 Jahre verbleiben sie nun in der Lahn, bevor sie als Blankaal wieder über den Rhein in die Nordsee wandern. Von dort wandern sie über den Atlantik in die Sargassosee, wo sie sich am Lebensende vermehren. Dies wäre der ideale Lebensweg der Aale.

Jedoch überlebt nur ein Bruchteil der ausgesetzten Aale. Laut Winfried Klein, Vorsitzender der IG Lahn, landen 80 Prozent der Jungaale in den Rechen und Turbinen der Wasserkraftanlagen. Daher kämpft er seit Jahren nicht nur für die Abschaffung der Wehre, um die Lahn wieder durchgängig zu gestalten. Er kämpft ebenfalls gegen die Wasserkraftanlagen. Weil so viele Jungaale sterben, gibt es auch immer wieder Kritik an der Aktion. Solange es den sicheren Tod für die Fische bedeute, sollte kein Aussetzen von Aalen in die Lahn stattfinden.

Vom Aussterben bedroht

Der Aal mit seinem faszinierenden Lebenszyklus ist inzwischen vom Aussterben bedroht. Zwar kommt er in vielen Süßgewässern in ganz Europa vor. Aber seit den 80er Jahren sind die mit dem Golfstrom ankommenden Glasaale um 90 Prozent zurückgegangen. Und der Bestand in den Süßgewässern hat sich in der gleichen Zeit halbiert. Auf der Roten Liste in Deutschland wird der Aal als „gefährdet“ geführt. Die Rote Liste der Weltnaturschutzunion IUNC sieht ihn als „vom Aussterben bedroht“. Es gibt Fangverbote für die Aale, um den illegalen Schmuggel nach Asien zu unterbinden. Aber in anderen Bereichen wie besserer Schutz vor Wasserkraftanlagen tut sich noch recht wenig. Und das Thema ist nicht neu. Seit Jahren kämpfen die Verbände auf den verschiedenen Ebenen für einen besseren Schutz des Aals. So verlangt die seit 2007 bestehende EU-Aalschutzverordnung, dass 40 Prozent der abwanderten Aale unverletzt das Meer erreichen sollen.

Auf Nachfrage beim Hessischen Umweltministerium nach Förderung der Aalbesatzmaßnahmen heißt es, dass die Obere Fischereibehörde des Regierungspräsidiums Gießen die Besatzmaßnahmen in den vergangenen drei Jahren aus Mitteln der Fischereiabgabe mit einem Betrag von rund 14.000 Euro gefördert hat. Die Kosten für den Besatz im hessischen Teil der Lahn förderte das Land mit 50 Prozent. Die Ehrenamtler erbrachten sämtliche organisatorischen Vorarbeiten sowie den Besatz der Aale.

Turbinenmanagment?

Im Rahmen des EU geförderte LIFE Projektes Living Lahn (LiLa) werden auch Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse des Aals durchgeführt. Das LIFE-Projekt setzt sich dafür ein, dass ein voll funktionsfähiger Fischauf- und -abstieg in der Lahn entsteht. Als Zwischenlösung soll ein aalschonendes Turbinenmanagement entwickelt und erprobt werden. Dazu äußert sich die Pressestelle des Umweltministeriums wie folgt: „Mit der Maßnahme „Turbinenmanagement, Action A 10“ des LiLa-Projektes wird die Wanderbewegung von 250 Aalen mittels Hydrophonen aufgezeigt. Die Ergebnisse dieser „Action A 10“ werden nicht nur in Hessen, sondern weit darüber hinaus von Bedeutung sein, um den Schutz abwandernder Aale zu verbessern, solange an einer Wasserkraftanlage noch kein funktionierender Aalschutz eingerichtet ist oder das Funktionieren eines Aalschutzes noch unklar ist.“

Wer sich auf Seiten des LiLa-Projektes umschaut, muss jedoch ernüchternd feststellen, dass die sogenannte „Action A10“ nach Ausschreibung November 2020 erst jetzt an die Bestandsaufnahme macht und noch keine Ergebnisse vorweisen kann. Bis 2024 sind vier Durchläufe von Aal-Monitoring geplant. Erst 2025 nach Auswertung der Ergebnisse soll ein Managementplan erstellt werden. Das sind weitere vier Jahre, in denen ein Aalbesatz in der Lahn erfolgt, obwohl sich ihre Lebensverhältnisse nicht maßgeblich verbessert haben.

Abschaffung der Wehre

Neben den Wasserkraftanlagen sind die Wehre ein weiteres Thema der IG Lahn. Diese verhindern ein ungehindertes Fließen der Lahn und somit auch eine ungehinderte Durchgängigkeit für die Fische. Winfried Klein sieht in den Wehren von Runkel, Weilburg und Limburg eine historische Rolle. Gegen deren Erhalt spricht nichts. Nach einem Umbau könne er sich für diese Wehre einen Denkmalschutz vorstellen. Sie richten keinen Schaden an. Alle anderen Wehre würde er am liebsten abreißen. Zumal die Lahn dann nicht nur besser fließt und die Fische wandern können. Mit einer durchgängigen Fließgeschwindigkeit bauen sich Schadsubstanzen schneller ab und belasten das Wasser nicht mehr.

Zu diesem Punkt antwortet das Umweltministerium, dass die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit auf den Hauptwanderrouten eine zentrale Herausforderung zum Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie sei. Dies heißt, die Maßnahmen sind gesetzlich vorgeschrieben und sollen auch in Hessen durchgeführt werden. „Im Rahmen des LiLa-Projektes wird untersucht, ob und wo ein Rückbau von Querbauwerken möglich ist“, so die Pressestelle weiter. Auch sieht die Pressestelle des Umweltministerium die Zukunft an vielen Gewässern im motorlosen Wassertourismus, welcher erheblich weniger aufwendige Infrastrukturen wie Bootsgassen benötigt.

Weitere Maßnahmen sind Renaturierungen, die derzeit auch im Rahmen des Bundesprogramms „Blaues Band“ konzipiert werden. Darüber hinaus fördert das Programm „100 Wilde Bäche für Hessen“ die Wiederherstellung der Durchgängigkeit von Gewässern. Auch die Mindestwasserregelung trägt dazu bei, die Durchgängigkeit von Gewässern zu verbessern.

Auch das Umweltministerium sieht die wichtigsten Maßnahmen für den Schutz des Aalbestandes in der Schaffung der Durchgängigkeit des Gewässers sowie Schutzmaßnahmen an den Wasserkraftanlagen. Weitere Maßnahmen wären die Verbesserung der Habitat-Strukturen und damit die Verbesserung der Lebensräume. „Langfristig sind Gewässerstrukturen anzustreben, die es dem Aal ermöglichen sich ausreichend selbst natürlich zu reproduzieren und einen an die natürlichen Bedingungen angepassten Bestand zu entwickeln, sodass sich Besatzmaßnahmen weitestgehend erübrigen“, so die Pressestelle abschließend.

Lebendige Lahn – Übersicht LiLa

Das länderübergreifende Living Lahn (LiLa) – Projekt ist seit Dezember 2015 am Start. Das Hessische und Rheinland-Pfälzische Umweltministerium sowie die Bundesanstalt für Gewässerkunde und das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Mosel-Saar-Lahn arbeiten in diesem von der EU geförderten Projekt zusammen. Bis 2025 sollen größere und kleinere Maßnahmen entlang der Lahn das Gewässer ökologisch aufwerten. Das Projektbudget beträgt rund 15,7 Millionen Euro, wovon 8,5 Millionen Euro durch die EU gefördert werden. Ergänzende Maßnahmen finanzieren die Projektpartner.

Im Bereich des Landkreises ist ein Projekt die Wiederherstellung der Durchgängigkeit und Aufwertung der Schleuseninsel Fürfurth. Die ökologische Durchgängigkeit ist durch das Doppelwehr und die Stauung kaum gegeben. Eine Fischaufstiegsanlage soll das Wandern der Fische wieder ermöglichen. Eine Arbeit zum Thema wurde bereits 2017 erstellt. Derzeit überprüfen die Projektpartner, welche Variante einer Fischaufstiegsanlage die beste Möglichkeit der Durchgängigkeit ermöglicht. Eine Umsetzung der Maßnahme ist für 2024/25 geplant.

Eine Halbzeitbilanz zum gesamten Projekt findet ihr in der verlinkten Broschüre.

Zusammenfassend zeigt sich, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Durchgängigkeit an der Lahn und zum Schutz der Fische, besonders der Aale, derzeit hehre Ziele sind, wo sich noch wenig getan hat. Und dann steht wirklich die Frage im Raum, ob auch auf die nächsten Jahre dieses Vorgehen gefördert werden sollte, auch wenn noch immer zahlreiche Aale die 20 Jahre bis zu ihrer Wanderung zum Laichen nicht überleben. Dabei sind die Angler jedoch das kleinste Puzzleteil und die Verantwortung liegt viel weiter oben.